In freundschaftlicher Zuneigung
Ein Mann trägt eine Brille und
sitzt
in einem Gesicht
das offen ist
über einer Landschaft
nein:
ein Brillenträger in sitzender Haltung
im Himmel
gezeichnet
eingerahmt von einem Antlitz das keines ist weil offen
dort wo es als Gesicht sein sollte
aber das nicht ganz ist
auch wenn es Augen hat die den Betrachter anschauen
nicht direkt
sondern um ihn herum
Herr F.H. blickt den Betrachter direkt an
irritierend das Ganze…
ich schaue es noch einmal an:
dass, was ich meine zu sehen
sobald ich es benannt habe
drängt sich eine andere Bedeutung vor, die ich auch benennen könnte
welche dann aber sofort die Vorherige relativieren muss, da das Bild einen mehrdeutigen Charakter hat, in aller sich zeigender Eindeutigkeit …
also von Vorne:
In der Mitte des senkrechten Blattes ist Herr F.H. geschätzte 68 Jahre alt, in der sitzenden Haltung über einer Landschaft schwebend dargestellt.
Er und die Landschaft sind nicht gemalt sondern gezeichnet, besser gesagt gepaust worden. Sie sind durchsichtig für die Farbigkeit des Untergrundes. Man könnte ihn auch Trage-Grund oder Himmel, Jenseits nennen. Herr F.H. wirkt nah und fern, mir vertraut und fremd, lebendig und verstorben.
Dorthin schaue ich durch eine Öffnung die dem Schlüsselloch ähnelt. In einen anderen Raum guckt man verbotener Weise durch ein Schlüsselloch. Dieses hier scheint eine Öffnung in einem Gesicht zu sein – es hat eben zwei Augen, die mich ansehen. Aber nicht menschlich, anderes erfassen sie mich. Das Gesicht gehört einer mir unheimlichen Welt an. Mein Blick wandelt zum äußersten Rand des Bildes. Die Farben sind schön, das helle Blau und Rosa zum Bildinnern das Grünlich und Goldig. Darauf die Augen wie Kohle-Stücke, das eine mit blumigem Rosa das andere mit Erd- und Himmelsfarbe eingerahmt.
Herr F.H. schaut mich vertraut an, er kennt den Künstler, er scheint mich zu kennen, ich kannte Herr F.H. nicht, oder?
Aber jetzt weiß ich es: er ist im Himmel, verstorben wacht er über eine Landschaft mit einem Berg. Oder erinnert er sich gerade daran? Herr F.H. schwebt sitzend hinten einer Schwelle die ich noch nicht benennen kann, er wacht über den Maler und vielleicht über die Menschen, welche er kannte, aber jetzt kennt er mich auch? Ich kenne sein Nahmen noch nicht?
noch einmal: …
“ In Memoriam F. H.“
Jasminka Bogdanovic
5. Oktober 2012, Basel