Niemand kann die Künstlerin aufhalten – nur sie selbst! (Werner Barfod)
Wie wird ein Portrait? Eine lange Reihe der Portraitdarstellungen durch die Kunstgeschichte hindurch zeugt davon, dass dieses Motiv bis heute interessant geblieben und in den Darstellungsmöglichkeiten unendlich vielfältig ist. Wie anders ist das bei Rembrandt vor fast 400 Jahren, wenn aus der Umgebung die ganze Persönlichkeit erscheint, durch den Blick der Betrachter sich angeschaut erlebt. Welch einen Entwicklungsweg macht Alexey Jawlensky im 20 Jahrhundert durch!? Ein Weg der Vertiefung, Verinnerlichung vom naturalistischen Portrait zum expressionistischen, von abstrakt geometrischen Köpfen bis zu Meditationen in farbigen Strukturen.
Wie stellt sich der heutige Künstler in diese lange Tradition?
In der neueren Zeit wieder, wie auch vor zwanzig Jahren, bin ich von der Malerin Jasminka Bogdanovic porträtiert worden. Für sie steht im Zentrum, als Ausdruck der tiefsten Innerlichkeit einer Person, der Blick. Im gegenseitigen Anschauen entsteht das Bild. Dadurch kann der Betrachter in den direkten Blickkontakt mit dem Portrait treten.
Was erlebt derjenige, der wieder und wieder Stunden sitzt, konzentriert zur Künstlerin gewendet, sich immer genauer angeschaut, allmählich auch, so scheint es, durchschaut fühlt?
Wir arbeiten wöchentlich ca. 1,5 Stunden in ihrem Atelier. Erst hinterher bemerke ich die anstrengende Zeit der Konzentration… ich habe gar nichts getan … !? Doch ich war anwesend!
Von Anfang an arbeitet die Künstlerin an dem Ausdruck der Augen! Das ist die „Herzpartie“ des Bildes. Sie prüft: Schauen sie den Betrachter an, folgen sie ihm, wenn er vorüber geht; ist es mehr das rechte Auge, nimmt das linke auf? Etwas an deren Umgebung hinzu– oder weggenommen, verändert den Ausdruck, –wird er durchlässig für die Persönlichkeit –, die Blickrichtung wird lebendiger… woher jetzt diese Strenge? … eine Kleinigkeit hinzugefügt und die Ichnähe ist verändert; es ist offen, ob der einmal erreichte aber verloren gegangene Moment zurückgeholt werden kann.
Dieses Malen ist ein langes Spiel der Gratwanderung. Jasminka Bogdanovic möchte die größtmögliche Stimmungsvielfalt.
Gegen Schluss wird es „gefährlich“: Das Bild ist eigentlich fertig, aber bei der nächsten Begegnung ist es wieder verändert, sie hat daran weiter gearbeitet. Ich bin neugierig: Welcher Wesenszug kommt mir entgegen? Was hat Jasminka bei den vielen verschiedenen Nuancierungen meiner Persönlichkeit erfasst?
Die gelungene Darstellung ist durchscheinend, beinahe magisch, fast idealisiert…Wie schwer ist es zu wissen, ob das, wonach sie strebt, sich ihr auch zeigt? Was erwartet sie von sich selbst? Sie sagte einmal dazu: der Blick eines jeden Menschen ist das reine Licht und bei jedem Menschen offenbart es sich wie in einer anderen Tonart oder Färbung; sollte ich das Einzigartig- Einmalige dieses Lichtes im Bild erzeugen können, dann hätte ich das Antlitz zum Leben im Bilde erweckt. Ich frage mich, ob diese einmalige Lichtart des Blickes dasjenige ist, an dem wir uns wieder und immer wieder erkennen und erkennen werden?“
Ich sah schon lange im Bilde etwas von dem Eigentlichen mir entgegenleuchten! Aber die Künstlerin sucht mehr!
Niemand kann die Künstlerin aufhalten – nur sie selbst!
(In “Das Goetheanum” ist am 4.5.2013 ein Ausschnitt aus diesem Text erschienen (hier als PDF)
Titel des Bildes im Artikel: Werner Barfod / 2012-2013