Diese Worte Friedrich Schillers* schmücken die Eingangstüre meines Ateliers im Dreispitz, Basel. Sie klingen in mir als Segen, als Chance und als Notwendigkeit an. Als ganz kleines Kind fand ich ein rotes angebrochenes Bleistiftsstück und entdeckte, dass es Spuren hinterlässt, Spuren von meiner eigener Hand gezogen. Es öffnete sich mir ein Raum der freien Entfaltung. Diese Faszination des Kindes, eigenständig etwas zu gestalten, hat mich nie mehr verlassen. Sie bestimmte mein Leben und meine Berufung.
Die Kunst selbst und das Spiel des Kindes sind miteinander verwandt. Aus tiefster Ernsthaftigkeit schöpfen beide ihre Schönheit, ihr Tempo, ihren Rhythmus und ihre angeborene Freude aus dem selben, reinsten himmlischen Lebensquell. So wie ein Kind im Spiel, ist man im künstlerischen Schaffen immer gegenwärtig. Das Wunderliche des Schaffens scheint dem unsagbar Verwunderlichen des Kindlichen verwandt zu sein.
Das lehrt mich meine Enkelin und auch ein jedes Kind, welches ich wahr-sehe. Dann lebt in mir die mythische Schicht der unsichtbaren Welt auf, aus der ein jedes Kind gekommen ist, und aus der auch jedes Kunstwerk geboren wird. Ein jedes Kind ist ein auf die Erde angekommener Gott, der die Menschwerdung lernt; ein jeder Künstler sucht von einer anderen Warte her den Weg, um den anscheinend verlassenen, mythischen Schichten des Unsagbaren näher zu kommen.
Wie viel Brote als Wegzehrung, wie viele Schuhe und Stöcke werden benötigt?
Das Leben sollte sich nach künstlerischen Prinzipien entfalten können, um dem Kind- und Menschsein gerecht zu werden, damit es stets Freude für die Welt sein kann.
Jasminka Bogdanovic
*Schiller, Die Braut von Messina oder die feindlichen Brüder. Ein Trauerspiel mit Chören, 1803. Über den Gebrauch des Chors in der Tragödie